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Bernadette Krejs

Instagram-Wohnen. Architektur als Bild und die Suche nach gegenhegemonialen Wohnbildwelten

(Wohnen – Ausstellen 10), Bielefeld 2024, transcript, 352 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-8376-6899-5


Rezensiert von Ann-Marie Wohlfarth
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 28.10.2025

Wie wird Wohnen auf Instagram bildlich dargestellt, ausgestellt und durch die Plattform reproduziert? Wie bedingen sich digitale Wohnbildwelten, das (Be-)Wohnen als Alltagspraxis und gebaute Architektur gegenseitig? Die Architektin und Wohnforscherin Bernadette Krejs untersucht in der vorliegenden Monografie mediale Repräsentationsformen von Wohnräumen auf Plattformen wie Instagram, Pinterest und Airbnb sowie Möglichkeiten der gegenhegemonialen Bildproduktion. Die Autorin argumentiert, dass die auf Plattformen stark ästhetisierten Wohnbildwelten visuelle Ideale (re-)produzieren, (Wohn-)Begehren evozieren und Normen vorgeben, wie gewohnt und gelebt werden soll. Bildbasierte Soziale Medien wie Instagram oder Airbnb – letzteres bezeichnet Krejs als das weltweit größte digitale Wohnbild-Archiv – seien „normierende Systeme, die bestimmte Wissensformen und Kulturen immer wieder (re-)produzieren und andere Aspekte (des Wohnens) dadurch bewusst ausklammern“ (35).

Anhand von vier Instagram-Accounts von US-amerikanischen Content Creators mit hoher Reichweite analysiert Krejs die Verflechtung von Darstellungsformen in sozialen Medien und Wohnen. Die Autorin untersucht die Entstehungsgeschichte, die ästhetisierte Bildsprache und die visuellen Stile sowie die kommerziellen Verwertungsformen der Accounts. Die Autorin zeigt auf, dass hegemoniale Repräsentationspraktiken Ideale des Wohnens perpetuieren, welche sich „über eine Fülle an Wohnobjekten und darin navigierenden optimierten Subjekten auszeichnen“ (15). Außerdem konstruieren diese visuellen Ideale das Wohnen als ästhetischen Konsum und halten Einzug in architektonische Planung und Bau, sodass Praktiken des Bewohnens auf wenige Zustände reduziert werden.

Im ersten Kapitel nähert sich die Autorin dem komplexen Wechselspiel von digitalem Bild und Architektur aus bild- und medienwissenschaftlicher Perspektive an. Krejs verweist auf den Widerspruch, dass Architektur einerseits über Bilder vermittelt wird, dem digitalen Bild jedoch aufgrund des Potenzials der Manipulation misstraut wird. Krejs führt aus, dass Bildern als Medium eine Handlungsmacht (Agency) innewohnt. Durch ihre Reproduktion bestimmter Bild-Stereotype schreiben sie Ideale und Normen fest, die uns als gebaute Architektur-Stereotype wiederbegegnen.

Das zweite Kapitel verdeutlicht, dass Wohnen nicht nur eine materielle, sondern auch eine medial vermittelte Praxis ist, die durch Machtverhältnisse, Normen und digitale Bildkulturen geformt wird. Das Kapitel setzt die ästhetisierten Wohnbildwelten auf Instagram in einen historischen Kontext und verdeutlicht die Verflechtungen von materieller Praxis und medialer Inszenierung. Krejs zeigt auf, dass Plattformen wie Instagram und Pinterest prägen, welches Wohnwissen sichtbar oder unsichtbar bleibt. Des Weiteren legt die Autorin überzeugend dar, wie Plattformtechnologien die Reproduktion und Zuspitzung eines Wohnideals bedingen. Auf Plattformen sind ästhetisierte Bilder nicht nur kulturelles Kapital, sondern können bei genügend Reichweite in ökonomisches Kapital transformiert werden. Dies illustriert Krejs anschaulich anhand der vier Instagram-Accounts US-amerikanischer Content Creators.

Die Autorin vergleicht die dargestellten Inhalte, die ästhetisierte Bildsprache und die visuellen Stile sowie die kommerziellen Verwertungsformen und identifiziert folgende Gemeinsamkeiten: die Bilder evozieren eine besondere Stimmung oder Atmosphäre und Wohnen wird als Lebenserfahrung (Lifestyle) inszeniert und von funktionalen Notwendigkeiten entkoppelt. So können neue Lebens- und vor allem Konsumbereiche erschlossen werden. Daneben ist die „Selbstinszenierung der handelnden Subjekte […] wesentlicher Bestandteil für das Generieren gelungener Atmosphären, aber auch für das Etablieren einer Gemeinschaft aus Abonnentinnen und Abonnenten“ (223). Diese perfekt inszenierten Bilder erzeugen in Betrachtenden ein Begehren, das „erst durch den Erwerb der gezeigten Waren gestillt werden kann“ (224). Die Content Creators bieten die gezeigten Waren in Online-Shops an oder kooperieren mit Unternehmen, deren Produkte sie inszenieren, und monetarisieren so ihren Content. Krejs beschreibt vier wesentliche Auswirkungen der ästhetisierten Verbildlichung von Wohnen: Wohnen wird kapitalisiert und als konsumierbar konstruiert und „Prozesse der Subjektivierung und Individualisierung“ regen zu Konsum an (229). Außerdem geht mit der Homogenisierung von Bildern auch „eine Limitierung von Wohnerfahrungen und somit auch Wohnmöglichkeiten einher“ (ebd.), welche Einzug in Planung und Bau von Wohnraum findet und bestimmte Formen des Bewohnens ermöglicht beziehungsweise verunmöglicht.

In Kapitel drei entwickelt die Autorin das Konzept des „drawing otherwise“, welches Möglichkeiten der gegenhegemonialen Bildproduktion als eine Form der vielfältigen Wissensproduktion aufzeigt. Der Begriff des „drawing otherwise“ beschreibt disruptive Bildpraktiken, die in hegemoniale Darstellungen und ästhetisierte Bildwelten des Wohnens eingreifen und eine klare Gegenposition „zur kapitalistischen Aneignung und Verwertung von Ästhetik“ suchen (278). Gegenhegemoniale Bilder heben sich durch bildliche Andersartigkeit von ästhetisierten Wohnbildern ab, indem sie Widersprüchlichkeiten thematisieren und konventionelle Darstellungsformen unterlaufen. Da sich gegenhegemoniale Bilder der kapitalistischen Verwertungslogik der Plattformen entziehen, bleiben sie in den algorithmisch kuratierten Feeds oft unsichtbar.

Krejs gelungene Untersuchung der Ästhetisierung von Wohnräumen auf Social-Media-Plattformen leistet einen wichtigen Beitrag zur kulturwissenschaftlichen Forschung über visuelle Medien und Plattformtechnologien. Anhand zahlreicher Farbabbildungen führt die Autorin fundierte Analysen durch und entwickelt das Konzept des „drawing otherwise“, welches auch in anderen thematischen Kontexten Anwendung finden kann. Gleichzeitig ließe sich das Buch gewinnbringend um ethnografische Studien erweitern, die Praktiken der Nutzerinnen und Nutzer sowie deren Aushandlungsprozesse in den Fokus rücken. In diesem Sinne könnten Anschlussstudien untersuchen, wie digitale Wohnbildwelten durch alltägliche Scroll-, Like- und Posting-Praktiken kontinuierlich verhandelt werden. Das Buch lädt auch dazu ein, die eigene Rezeption digitaler Wohnbilder zu hinterfragen und das Verständnis für hegemoniale Repräsentationspraktiken zu vertiefen.