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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Klaus Unterburger/Daniel Rimsl (Hg.)

Wolfgang. Bischof von Regensburg, Heiliger Europas. Geschichte, Verehrung, Kunst

Regensburg 2024, Schnell & Steiner, 512 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Stephan Pongratz
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 11.11.2025

Der Band widmet sich der Geschichte des heiligen Wolfgang von Regensburg (924-994, Bf. 972/73-994, Heiligsprechung 1052) und seiner Verehrung in europäischer, das heißt vor allem die ans Bistum Regensburg angrenzenden österreichischen und tschechischen Gebiete berücksichtigender Perspektive. Den äußeren Anlass für die vom amtierenden Regensburger Bischof angeregte Festschrift bildete der 1100. Geburtstag des Heiligen im Jahr 2024. Obwohl Wolfgang schon gut erforscht schien, bot der Fortgang der mediävistischen Forschung überdies aber auch einen sachlichen Grund, erneut auf den Patron der Diözese Regensburg zu blicken, dessen ottonenzeitliche Lebenswelt wir inzwischen besser verstehen. Die insgesamt 29 Beiträge, die hier nicht im Einzelnen gewürdigt werden können, befassen sich in unterschiedlichster fachlicher Perspektive mit verschiedenen Aspekten der Biographie und Rezeption Wolfgangs als einer herausragenden Gestalt nicht nur der Regensburger Geschichte. Auch wenn eine formale Unterteilung fehlt, lassen sich ein einleitender kirchengeschichtlich-mediävistischer, ein weit in die Neuzeit ausgreifender kunstgeschichtlicher sowie ein an der modernen Rezeption und Wirkungsgeschichte des Heiligen interessierter dritter Teil des Bandes unterscheiden.

Den Anfang macht der Abschnitt, der sich mit dem Wirken des Heiligen in seiner Zeit sowie der Überlieferungssituation befasst. Aus den Händen Klaus Unterburgers stammt eine einleitende biographische Darstellung Wolfgangs, die dem Folgenden den Boden bereitet. Eine wichtige Basis zur Bestimmung der Überlieferungslage zu dem Heiligen bildet dann der Beitrag von Veronika Lukas (S. 36-47), die die beiden Hauptquellen für Wolfgangs Leben in ihren Darstellungsabsichten und ihrer Stilistik einordnet. Die beiden St. Emmeramer Mönche Arnold und Otloh schrieben zwar kurz nach dem Tode des Bischofs über ihn, verfolgten aber je andere narrative Ziele als die bloße Darstellung dessen Lebens. Im Aufsatz von Christof Paulus werden ihre Erzählungen weiter kontextualisiert und differenziert (S.100-113). Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Quellenlage werden in den biographisch orientierten Beiträgen wichtige Aspekte von Wolfgangs Wirken besprochen, die gleichzeitig Bereiche betreffen, in denen sich die Forschung in jüngerer Zeit weiterentwickelt hat. In vielen Texten spielt seine Faszination für und Förderung des klösterlichen Lebens eine Rolle, für die wiederum das Kloster St. Emmeram zentral war; ein Fokus liegt auf seinem Anteil an der Mönchsreform des 10. Jahrhunderts (Elmar Hochzollner). Ebenso zentral ist sein Agieren als ottonischer Reichsbischof mit weltlichen Pflichten inmitten von politischen Turbulenzen (bes. Jörg Bölling). Wiederholt wird in den Beiträgen auch die Gründung des Bistums Prag aus dem territorialen Bestand Regensburgs thematisiert (Petr Kubín), an der Wolfgang wohl in wichtiger Funktion – vielleicht aber nicht ganz freiwillig – mitgewirkt hat.

Der zweite und deutlich längste Teil des Bandes befasst sich liturgie-, architektur- und kunstgeschichtlich mit dem Echo Wolfgangs an seinen Wirkungsorten vom Hochmittelalter bis in die Gegenwart. Alle Beiträge sind reich mit Tabellen, Notenbeispielen bzw. Fotos ausgestattet. Zu den behandelten Quellen zählen auch hochmittelalterliche Gesänge (Harald Buchinger, David Hiley), die noch von Wolfgangs Wirken beeinflusst gewesen sein mögen. Liturgie- (Martin Berger) und kunstgeschichtlich (Wolfgang Augustyn, Daniel Rimsl) wird der Rahmen dann bis ins Spätmittelalter erweitert. Neben der Bischofsstadt selbst werden auch andere Zentren der Wolfgangrezeption im Bistum Regensburg (Hermann Reidel) und außerhalb davon (Daniel Rimsl, Maximilian Kolbeck, Rosmarie Schiestl, Jan Royt) in den Blick genommen: so der Falkenstein am Wolfgangsee, Wieselburg, Pöchlarn und sein Sterbeort Pupping im österreichischen Donauraum sowie die Wolfgangskirchen in Kefernmarkt nahe der tschechischen Grenze und in Grades in Kärnten. In etwas knapperer Form kommen auch Gedenkorte in Böhmen und Mähren wie das Benediktinerkloster Kladruby, Graupen oder Gnanlicz zur Sprache. Die Popularität Wolfgangs in diesen geographischen Räumen hat mit seinem Anteil an der Gründung des Bistums Prag einerseits und seiner legendenumrankten Flucht an das heute Wolfgangsee genannte Gewässer andererseits zu tun. Als wichtigster Gedenkort des Heiligen (nicht nur) außerhalb von Regensburg kann St. Wolfgang im Salzkammergut betrachtet werden, wo sich ab dem Spätmittelalter eine Wallfahrtstradition etablierte, die aus ganz Mitteleuropa Pilger anzog. Aus verschiedenen Quellen lässt sich die schwankende Bedeutung des Heiligen in diesem Raum über die Jahrhunderte herauslesen: Während Wolfgang im Spiegel der Hochliturgie im Regensburger Dom als Hauptpatron der Regensburger Kirche erscheint (Martin Berger), fiel seine Verehrung in der Stadt wohl eher verhalten aus (Bernhard Lübbers), bis gerade der Trend um die Wallfahrten nach St. Wolfgang auf die Bischofsstadt des Heiligen zurückzuwirken begann. Nachdem der Wolfgangkult in Regensburg schon wieder abgeflaut war, erhielt er mit der Translation diverser Reliquien 1612/13 einen neuen Schub (Tobias Appl), der sich trotz einiger Bezüge in der Gegenreformation (Katharina Kagerer) aber ebenfalls nicht als nachhaltig erwies; vielleicht auch aufgrund der Konkurrenz durch die zunehmend populäre Marienwallfahrt (Martina Außermeier).

Ein kürzerer dritter Teil befasst sich mit Wolfsgangs Einflüssen auf heutige Fixpunkte der Regensburger Diözese: die Regensburger Domspatzen, deren Gründer der Heilige der Legende nach sein soll (Fabian Weber), die Architekturgeschichte von St. Wolfgang in Regensburg-Kumpfmühl (Walter Zahner), die Landshuter Wolfgangsiedlung (Mathias Baumgartner) sowie die seit 1964 zur Erinnerung an den Heiligen begangene „Wolfgangswoche“ als Ausdruck einer zuletzt wieder stärkeren Bemühung um das Andenken des Patrons in Regensburg (Camilla Weber). In diesen Kontext gehört letztlich auch der vorliegende Band selbst, der von einem sehr willkommenen Orts- und Personenregister beschlossen wird.

Offenkundig zielt dieser trotz wissenschaftlichen Anspruches nicht allein auf ein akademisches Fachpublikum, sondern will breitere interessierte Kreise erreichen. Die prachtvolle Gestaltung mit vielen Fotografien und zugänglich formulierten Texten wird dazu sicherlich beitragen. Ein unerwünschter Nebeneffekt dieser Ambition mag es sein, dass manche Inhalte mehrmals erklärt werden: Etwas repetitiv lesen sich immer wieder die grundlegenden Erzählungen und Anekdoten aus Wolfgangs Leben, die in vielen Beiträgen zur Sprache kommen, obwohl die einleitende biographische Darstellung dies eigentlich unnötig macht. Ein bemerkenswertes Ergebnis des Bandes ist die in vielen Texten herausgearbeitete, eigentlich vergleichsweise geringe Bedeutung des Bischofs Wolfgang zu Lebzeiten, der posthum die von seinen Nachfolgern oft problematisierte, relative Schwäche der Wolfgangverehrung in Regensburg selbst entspricht. Wolfgang erscheint im Spiegel dieses Buches als ein eher unscheinbarer Patron seiner Stadt, der über die Jahrhunderte immer wieder neu „von oben her“ entdeckt und genutzt wurde. Umso reichere Erkenntnisse verspricht die weitere Erforschung seiner Verehrung. Dazu liefert der vorliegende Band ein tragfähiges Fundament.