Aktuelle Rezensionen
Julia Mandry/Thomas T. Müller/Stefan Sonderegger (Hg.)
Reichsstadt im Bauernkrieg. Mühlhäuser Arbeitskreis für Reichsstadtgeschichte
(Studien zur Reichsstadtgeschichte 12), Petersberg 2025, Imhof, 351 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Peer Frieß
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 11.11.2025
Aus der Fülle der durchweg anspruchsvollen und anregenden jüngsten Tagungsbände, die im zeitlichen Umfeld des Gedenkens an 500 Jahre Bauernkrieg erschienen sind, ragt der Sammelband zur Tagung des Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsgeschichte nochmals deutlich hervor. Das liegt nicht nur an der Qualität der enthaltenen Aufsätze, sondern mindestens ebenso an der klugen Einrahmung der Beiträge durch eine prägnante Einführung der Herausgeber (S. 9-18) und eine das Forschungsfeld souverän abschreitende Zusammenfassung von Gerd Schwerhoff (S. 313-336).
Der zentralen Intention der Mühlhäuser Tagungen folgend beschäftigt sich die Einführung mit der grundlegenden Einordnung der Rolle der Reichsstädte im Bauernkriegsgeschehen und weist zu Recht darauf hin, dass auch die Führungsriegen der Reichsstädte mit der wirtschaftlichen und administrativen Durchdringung des Umlandes zu einer Verschärfung der Situation auf dem Lande beigetragen haben. Gleichzeitig wird – ebenfalls zu Recht – davor gewarnt, innerstädtische Proteste automatisch als Teil der bäuerlichen Aufstandsbewegung zu deuten, nur weil sie zeitgleich stattfanden. Häufig standen diese Unruhen weit eher in der Tradition spätmittelalterlicher Bürgerkämpfe.
Vor diesem Hintergrund beleuchten eine Autorin und zehn Autoren unterschiedlichste Aspekte des Spannungsfeldes Reichsstadt und Bauernkrieg. Dabei erweist es sich als ausgesprochen wertvoll, den reichsstädtischen Fallstudien Betrachtungen an die Seite zu stellen, die – quasi am Rande des zentralen Themenspektrums stehend – das Besondere der reichsstädtischen Reaktionsmuster deutlicher hervortreten lassen. Das gilt für die Abhandlung zur Sonderstellung des Herzogtums Bayern von Rainhard Riepertinger (S. 33-51) ebenso wie für die Darstellung der Ereignisse in den Bischofsstädten Mainz von Wolfgang Dobras (S. 225-244) und Brixen von Karin Pattis (S. 245-280). Ausgesprochen anregend liest sich auch die grundlegende Diskussion der Frage nach dem Umgang der Reichsstädte mit dem angesichts gewaltbereiter Bauernhaufen drohenden Kontrollverlust (S. 19-32). Horst Carl kommt dabei zu dem Ergebnis, dass es den Reichsstädten gelungen sei, „den Krieg mit seinen prekären Situationen des Kontrollverlustes aus der Stadt herauszuhalten“ (S. 32).
Die durchweg informativen und lesenswerten reichsstadtspezifischen Fallstudien, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann, konzentrieren sich auf zwei Schwerpunkträume. Neben den wiederholt herausgegriffenen mitteldeutschen Reichsstädten Mühlhausen und Nordhausen bilden Memmingen, Sankt Gallen, Bern und Zürich ein südliches Gegengewicht. Für beide Regionen werden mit Thomas Müntzer und Christoph Schappeler einflussreiche Theologen betrachtet, wobei insbesondere die Rolle des aus Sankt Gallen stammenden Schappeler für die Ereignisse in und um Memmingen von Rudolf Gamper (S. 81-112) auf der Grundlage bislang unbenutzter Quellen neu bewertet wird. Wie stark die Prägung Thomas Müntzers durch reichsstädtische Milieus gewesen war, unterstreicht im Gegenzug Matteo Rebeggiani (S. 113-134). In dem von Markus Hirte präsentierten Vergleich mit den Unruhen in Rothenburg (S. 135-172) wird einmal mehr die Sonderstellung der Mühlhäuser Ereignisse deutlich.
Als besonders gewinnbringend erweist sich der Blick auf die reichsstädtischen Deeskalationsmechanismen. Ob es die von Christoph Engelhard beschriebene Diskurs- und Kompromissbereitschaft der Memminger Obrigkeit (S. 53-79) war oder das von Arman Weidenmann dargestellte Festhalten an eingespielten Formen des Konfliktaustrags in der Eidgenossenschaft (S. 173-202), stets gelang es, lokale Gewaltexzesse zu vermeiden und tragfähige Regelungen für die Zukunft zu finden.
Ausgehend von der bekannten Typologie der reichsstädtischen Handlungsoptionen des amerikanischen Historikers Thomas F. Sea (Imperial Cities and the Peasants’ War in Germany, in: Central European History 12 [1979], S. 3-35) ordnet Gerd Schwerhoff abschließend die Erträge der einzelnen Beiträge in übersichtlicher Form. Er verweist dabei auf aktuelle Desiderate, womit er sowohl der Bauernkriegs- als auch der Stadtgeschichtsforschung den Weg zu neuen Erkenntnissen weist. Zu nennen wäre etwa das Fehlen neuerer Studien zur Rolle der großen Reichsstädte Straßburg, Augsburg, Ulm und Nürnberg oder die Notwendigkeit bzw. die Aufgabe, das Stadt-Land-Verhältnis, „besonders im Fall der Reichsstädte, als ein dichtes Geflecht interagierender Differenzen zu beschreiben“ (S. 320). Der reich bebilderte und vorbildlich lektorierte Band gewinnt zusätzlich durch ein Orts- und Personenregister, das die gezielte Nutzung wesentlich erleichtert.