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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Thomas Kaufmann

Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis

Freiburg/Basel/Wien 2024, Herder, 544 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Kurt Andermann
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 17.11.2025

Im langen Reigen der Veröffentlichungen anlässlich des Gedenkens an den Bauernkrieg von 1525 ist dieses Buch etwas Besonderes, denn es beschreibt nicht die „wilde Handlung“ an sich, auch nicht ihre Vorgeschichte oder ihre Ursachen, sondern es untersucht das Vorfeld, das Geschehen und die Nachwirkung des Aufstands aufgrund zeitgenössischer Printmedien statt anhand von Urkunden und Akten. Ein Reformationshistoriker, dem die Bedeutung des ein Dreivierteljahrhundert zuvor erfundenen Drucks mit beweglichen Lettern für die Ausbreitung und den durchschlagenden Erfolg des reformatorischen Gedankenguts bestens vertraut ist, befragt hier die einschlägige, etwa 250 Produkte umfassende Flugblattüberlieferung, um zu erfahren, „wie der Einsatz des Printmediums die spezifische Differenz des Bauernkriegs gegenüber allen früheren Bauernaufständen begründete und ausmachte“. Er beschreibt, wie „sein“ Bauernkrieg „mit verbalen, visuellen und typographischen Waffen geführt“ und dabei „mit Bildern und Erwartungen des Bauern [operiert wurde], die als kulturelle Ressource verfügbar waren“ (S. 19 f.). Im Kern geht es ihm um die Frage, „ob dem Bauernkrieg produktive historische Wirkungen jenseits der unmittelbaren politischen und rechtlichen Repressionen, Arrangements und vertraglichen Aushandlungsprozesse zuzuerkennen sind“ (S. 22).

Im ersten Kapitel widmet sich der Autor den im Lauf der Zeit entwickelten Mustern zur Deutung des Bauernkriegs, angefangen bei der Sicht Luthers und seiner Parteigänger über altkirchliche und konfessionell geprägte Perspektiven, den Pietismus und die Aufklärung bis hin zur Geschichtspolitik des 19. Jahrhunderts und zu Forschungstendenzen im 20. Jahrhundert. Sodann spürt er Bauernbildern in literarischen Texten und Druckgraphiken zu bäuerlichen Unruhen vor dem Bauernkrieg nach: Gesellschaftsentwürfen, Utopien und Projektionen. Das zentrale dritte Kapitel gilt den vom Bauernkrieg selbst hervorgebrachten Medien und der Spiegelung des Geschehens in der übrigen zeitgenössischen Publizistik; hier geht es um die bäuerliche Kommunikationskultur, um die Zwölf Artikel und ihre stadtbürgerliche Adaption, um die Memminger Bundesordnung und das Echo, das sie und die Artikel unter den Wittenberger Reformatoren fand, sowie um anonyme Agitation, publizistische Deeskalation und allerlei Polemiken. Den Beschluss bilden Impressionen und Perspektiven auf die Verarbeitung des Bauernkriegs und seine Bewertung.

Als epochale Zäsur will Kaufmann die „deutsche Revolution von 1525“ – so einst Friedrich Engels – nicht bewerten, wohl aber sieht er darin eine wichtige Episode in der Geschichte der Reformation, die Tendenzen verstärkte, Gegensätze vertiefte und Entscheidungen forcierte, erfuhr doch Martin Luther im Bauernkrieg seinen schwersten Imageschaden überhaupt, indem ihm nicht zuletzt von seinen altkirchlichen Gegnern der Vorwurf gemacht wurde, ein „Bauernschlächter“ zu sein (S. 200–214). Andererseits gelang es Luther und seinen Anhängern „mit vernichtender Polemik“ (S. 319), Thomas Müntzer zum Erzketzer und Hauptverantwortlichen zu stilisieren, der die Bauern verführt und dem Evangelium entfremdet hatte; sie bewirkten damit, wie Kaufmann meint, eine Überbewertung des Thüringer Bauernführers, die ihresgleichen sucht und bis heute fortwirkt. Was die Vorgeschichte betrifft, so zeigt sich, dass der Bauernkrieg in den Köpfen mancher Publizisten schon lang vor seinem Ausbruch im Frühjahr 1525 begonnen hatte, denn vor allem in Oberdeutschland wurden bereits in den Jahrzehnten vor der Reformation „auf die Zukunft ausgerichtete Gesellschaftsentwürfe [veröffentlicht], die vielfach von gebildeten Stadtbürgern stammten, eine grundlegende Veränderung der bestehenden Verhältnisse vorsahen und den Anspruch erhoben, eine Ordnung zu errichten, die dem Willen Gottes entspreche“ (S. 72). Das fügt sich gut zu der Tatsache, dass dann auch während des Aufstands die Übergänge zwischen Stadt und Land, zwischen bäuerlichen und städtischen Aufständischen fließend waren. Wenn das Geschehen sich von Oberschwaben und vom Hochrhein aus nach Norden und Westen so rasch verbreitete, war dies in erster Linie auf die Publizistik zurückzuführen, ebenso wie wenige Jahre zuvor die ungeheuer schnelle Ausbreitung der reformatorischen Ideen im ganzen Reich. Allein die Zwölf Artikel fanden zwischen März und Mai 1525 in mehr als dreißig Drucken Verbreitung. Insofern ist die Charakterisierung des Bauernkriegs als Medienereignis völlig zutreffend und erklärt, weshalb alle früheren Bauernaufstände, denen eine solch wirkungsvolle Befeuerung noch fehlte, über den regionalen Rahmen nicht hinausgingen. Dass die Mehrzahl der Einzelpublikationen gegen die Bauern gerichtet war, vermochte daran nichts ändern. Wichtig, weil gemeinhin unterschätzt, erscheint auch die Feststellung, dass es zwischen den aufständischen Bauern und einem um seine Autonomie bangenden Adel vielfach Gemeinsamkeiten und vorübergehende Allianzen gab, die aus einhelliger Ablehnung sowohl der fürstlicherseits betriebenen Herrschaftsverdichtung als auch der vielfach selbst erlebten und seitens der Reformation angeprangerten kirchlichen Miseren erwuchsen, eine Einsicht, die traditionelle Perspektiven auf den Bauernkrieg mitunter zu stören scheint. Das allerletzte Unterkapitel „Heldendämmerung – Abschied von sinnstiftenden Narrativen“ (S. 318–326) hinterlässt zwar passagenweise den Eindruck, als sei es übers Knie gebrochen, aber seiner Kernaussage, dass „der Bauernkrieg der erste medial angefachte und flankierte Krieg an der Schwelle zur europäischen Frühen Neuzeit“ war (S. 326) und es diesen Krieg ohne die Druckerpresse gar nicht gegeben hätte, wird man kaum widersprechen wollen.

Das Buch ist, wie man das von Thomas Kaufmann kennt, mit viel Engagement geschrieben und daher gut zu lesen. In Anbetracht des von der jüngeren Forschung einmal mehr erörterten Gewalthandelns der Bauern fragt man sich indes, wie gerechtfertigt es noch sein mag, allein die andere Seite kurzerhand als Mörder abzutun (S. 17). Das Werk ist reich bebildert, allerdings sind die dankenswerterweise ausführlich kommentierten Abbildungen allzu oft nicht viel mehr als briefmarkengroß wiedergegeben und damit nur mühsam oder gar nicht zu entziffern; besonders krass ist der Fall eines zwar ganzseitig reproduzierten, aber gänzlich unlesbaren Einblattdrucks, mit dem der Schwäbische Bund Mitte April 1525 seine Friedensvorstellungen darlegte (S. 195). Schade, hier wäre seitens des Verlags etwas mehr Großzügigkeit angebracht gewesen.